Ultralauf 85 km

Ultralauf

Ein Laufericht

Ein Laufbericht

Am 13. September 2025 war Oldenburg erneut Start und Ziel eines Laufs, der mehr war als ein sportlicher Wettkampf. Beim 4. Oldenburger Hospizlauf legten die Läuferinnen und Läufer ihre Kilometer nicht nur für sich selbst zurück, sondern zudem für eine große gemeinsame Sache: das künftige Hospiz in Ostholstein. Mitten unter ihnen stand auch der Lensahner Ultraläufer Hanno Höper. Ein erfahrener Athlet, der an diesem Tag die Herausforderung von 85 Kilometern ebenfalls annahm. Jeder Schritt führte durch die Weite der norddeutschen Landschaft, bis hin zur „Brücke“ am Fehmarnsund.

Der Bericht wurde von Hanno Höper & Jan-Olof Wadehn verfasst und ist zur redaktionellen Veränderung frei gegeben.
Fotos: Hakan Özoglan & Andere

4. Oldenburger Hospizlauf – 85 Kilometer für den guten Zweck

Am 13. September 2025 fand der 4. Oldenburger Hospizlauf statt. Für uns 12 Läuferinnen und Läufer, die sich an die ganz große Strecke, den 85 km Ultralauf,  wagten, war es ein Tag voller Emotionen, Naturerlebnissen und intensiver Stunden mit uns selbst und miteinander.

Dieser Lauf war mehr als nur ein sportlicher Wettkampf. Er stand im Zeichen der Gemeinschaft und der Solidarität. Denn mit jedem Schritt sammelten wir Spenden für den Bau des Oldenburger Hospizes – ein Ort, an dem Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet werden.

„Nu geit dat los!“

Um 5:45 Uhr trafen wir uns auf dem Sportplatz in Oldenburg. Noch war es kühl, die Luft roch nach Herbst, und die Müdigkeit stand manchen ins Gesicht geschrieben. Doch die Anspannung mischte sich mit Aufregung – ein für Ultraläufe bekanntes Knistern vor dem Start lag in der Atmosphäre.
Die wichtigsten Regeln wurden noch einmal angesprochen, Infos zur Strecke geteilt. Dann trat Heiko Struck, der Vorstand des Oldenburger Sportvereins 1865 e.V., der den „Oldenburger Hospizlauf“ offziell organisiert, nach vorne. Mit ein paar Worten des Glücks begrüßte er die Teilnehmer.

Hanno Höper, der den Ultralauf als Teamleiter organisiert, ließ es sich mit dem Wissen um die funktionierende Organisation nicht nehmen, selbst auch an dem schönen Landschaftslauf teilzunehmen. Mit einem plattdeutschen „Nu geit dat los!“ schickte er die Teilnehmer auf den Weg. Gänsehaut pur!
Die ersten 500 Meter liefen wir gemeinsam, geführt bis zur Ampel. Danach hieß es „Feuer frei“ und vier von uns setzten sich sofort ab. Für die meisten begann das Abenteuer langsamer, Schritt für Schritt hinein in einen langen Tag.

Die Strecke lag uns als GPX-Track vor, doch viel wertvoller waren die sorgsam angebrachten Markierungen unserer fünf Helfer, die dafür sorgten, dass wir uns nicht verlieren konnten. Mit jedem Hinweis, jedem Pfeil am Wegesrand spürte man die Fürsorge, die in diesen Lauf geflossen war.

Sonnenaufgang und das Erwachen der Landschaft

Kaum hatten wir die Stadt hinter uns gelassen, tauchten wir in die Landschaft Ostholsteins ein. Die Sonne schob sich langsam über den Horizont, tauchte die Felder und kleinen Wäldchen in warmes Licht. Wir liefen schweigend nebeneinander her, jeder in Gedanken versunken, jeder in seinem eigenen Rhythmus. Und doch spürte man diese stille Verbundenheit, ein unsichtbares Band unter Ultraläufern. Der Himmel war wolkenlos, die Luft klar, die Landschaft frisch bestellt. Schwarze Äcker, hohe Maisfelder, Windmühlen, alte Gutshöfe. Ab und zu konnte keiner von uns widerstehen, das Handy aus der Tasche zu holen. Bilder konnten vielleicht die Konturen der Landschaft, die sich mit jedem Schritt veränderten, einfangen.

Nach etwa zwölf Kilometern der erste Zwischenstop. Die Feuerwehr in Neuratjensdorf hatte den Verpflegungspunkt (VP1) liebevoll vorbereitet. Cola, Iso, Wasser, Nüsse, süße Leckereien – alles, was wir uns in diesem Moment wünschen konnten. Doch noch wichtiger als die Getränke und Snacks war die gute Laune, die uns entgegen gebracht wurde, nebst dem motivierenden Wort, das wie ein Antrieb die Beine für die noch vor uns liegenden Kilometer leichter werden ließ.

Heiligenhafen – ein Laufen zwischen Himmel und Meer

Die kurzen, welligen Anstiege forderten unsere Muskeln, aber sie schenkten uns auch Höhe und Ausblicke. Oben auf 40 Meter über dem Meer lag die Ostsee vor uns, tiefblau und weit. Doch kaum hatten wir Heiligenhafen, die zu den schönsten Kleinstädten Norddeutschlands zählt, erreicht, lag in Nähe des Leuchtturms ein 700 Meter langes Band aus Sand, direkt am glitzernden Meerwasser. Anfangs lachten wir noch über diese willkommene Abwechslung. Die Schuhe gruben sich merklich ein. Genau in dem Moment, in dem es mühsam wurde, durften wir den anspruchsvollen Abschnitt wieder verlassen.

Als Belohnung öffnete sich die 4 Kilometer lange Promenade von Heiligenhafen vor uns. Ein endloser Laufsteg, flankiert vom Rauschen der Ostsee und dem Blick hinauf in die höher gelegene Altstadt. Nach einer kurzen Rampe stand sie dann plötzlich vor uns: die Seebrücke. Ein kühner Zickzack hinaus auf die offene See, als würde sie uns einladen, einen Schritt weiter in den Horizont zu wagen. Natürlich griffen alle nach ihren Handys. Solche Momente will man festhalten, auch wenn sie längst im Innern gespeichert sind.

Die beiden jungen Damen von der Touristik Heiligenhafen, die dort am Ende der Seebrücke VP2 betreuten, warteten schon auf uns. Warm eingepackt trotzen sie dem Wind und notierten geduldig unsere Ankunft. So konnten wir uns entspannt mit Getränken und Proviant verpflegen.

Weite und Wind – der schönste Abschnitt des Lauf

Sich nahtlos anschließend begann einer der schönsten Abschnitte des Laufs. Der Weg schmiegte sich an die Küste, immer entlang des Wassers, das im Morgenlicht funkelte. Vorbei an der großen Marina, wo die Masten der Yachten im Wind klapperten, und am Kommunalhafen, der in seiner rauen Schlichtheit eine besondere Ruhe ausstrahlte, führte uns die Strecke zum anderen Ende Heiligenhafens nach Ortmühle. Dort öffnete sich der Blick, weit hinaus über dem Graswarder. Eine Kulisse, so wunderschön, dass man fast vergaß, dass man sich in einem Wettkampf befand. Wir liefen weiter, begleitet von der Weite der Ostsee, durch Strandhusen und Lütjenbrode, bis uns ein herrlich glatter Radweg wie ein Band nach Großenbrode trug.

Dort erwartete uns die Feuerwehr mit einem herzlichen Lächeln, das müde Beine sofort leichter machte. Sie erzählten uns, dass der Erste schon bei ihnen aufgetaucht war, noch bevor der Verpflegungspunkt überhaupt fertig aufgebaut war. 33 Kilometer in gerade einmal 2:30 Stunden hat der Läufer für den Teilabschnitt benötigt. Eine Zeit, die uns ambitionierte Ausdauersportler ehrfürchtig zurückließ. Ich ertappte mich bei dem Gedanken, ob die Helfer an den kommenden VPs wohl früher aufbauen würden. Zum Glück konnte die Handy-App sie informieren. Und tatsächlich waren die Verpflegungspunkte von da an pünktlich bereit. Für mich als Mitorganisator ein stilles Glück, für uns Läufer ein Geschenk.

Der Weg zum Höhepunkt des Laufs führte uns hinaus aus Großenbrode, hinein in eine weite Niederung. Mit jedem Schritt wurde die Natur ursprünglicher, der Asphalt wich dem rauen Charme naturbelassener Wege. Links von uns, im Westen, erblickte man Bohrgeräte. Stumme Vorboten eines gigantischen Bauprojekts, das irgendwann in den kommenden Jahren hier mit dem Tunnel unter dem Meer zur Insel Fehmarn entstehen soll. Doch all das Zukunftsrauschen rückte in den Hintergrund, denn plötzlich lag sie vor uns, die Fehmarnsundbrücke.

Die Fehmarnsundbrücke – der Höhepunkt des Laufs

„Kleiderbügel“ nennen die Einheimischen sie liebevoll. Für uns war sie mehr als nur eine Brücke. Der Bogen spannte sich wie ein Regenbogen über das Wasser, mächtig und zugleich elegant. Seit 1962 trägt diese Brücke den Verkehr über das Meer. Immer wieder blickten wir nach unserer Unterquerung  zurück, wollten diesen Anblick festhalten, der uns die Gänsehaut über die Arme jagte. Und doch wussten wir, irgendwann müssen wir sie loslassen. In Großenbroderfähre drehten wir uns ein letztes Mal um, verabschiedeten uns mit einem Lächeln von ihr.

Zurück führte uns der Weg nun 3,5 Kilometer direkt an der Abbruchkante entlang. Wind im Gesicht, das aufgewühlte Meer neben uns. Ein Abschnitt, der es in sich hatte. Einige Landwirte hatten vom Küstenweg kaum etwas übrig gelassen, was uns auf einen unebenen Trampelpfad zwang. Offiziell ein Wanderweg, in Wirklichkeit aber ein läuferischer Tanz über Wurzeln und Kanten. Vor allem die schnellen Läufer fluchten leise. Doch ändern ließ sich nichts.

Am Ende dieser Passage wartete VP4. Dort empfingen uns Helfer an der Spitze der Großenbroder Seebrücke, die dem Wind in ihren wärmenden Jacken trotzten und uns mit offenen Armen begrüßten. Und während wir dankbar zugriffen, bemerkten wir die intensive Brandung. Ein Schauspiel, das uns aufzeigte, wie klein wir Läufer eigentlich sind, und wie groß dieses läuferische Abenteuer.

Von der Promenade aus führte uns der Weg am Yachthafen vorbei, hinein in ein Waldstück, das auf den ersten Blick unscheinbar wirkte. Und doch trug es Geschichte in sich. Kaum vorstellbar, dass hier einst ein Flughafen der Luftwaffe lag. Nur ein paar Tafeln erinnerten, wie stumme Zeugen vergangener Zeiten, daran.

Wir umrundeten den Binnensee von Großenbrode und reihten uns ein in eine kleine Parade von Campingplätzen. Einer nach dem anderen, jeder mit seinem eigenen kleinen Leben, seinem eigenen Rhythmus.

Kampf gegen die inneren Stimmen

Doch die Idylle wurde unterbrochen. Bei Kilometer 53 zeigte uns erneut die Natur ihre Kraft. Das Hochwasser von 2024 hatte den Küstenweg einfach verschluckt, als wäre er nie da gewesen. Stattdessen warteten 400 Meter tiefster Strandsand auf uns. Schweiß, keuchende Atemzüge, Sand, der in die Schuhe drang. Dann endlich die erlösende kleine Treppe, die uns zurück auf den alten Weg hob.

Als hätte der Lauf es genau gewusst, was wir jetzt brauchten, wartete in Costa Sahna, dem letzten Campingplatz, mit VP 5 ein ganz toller Verpflegungspunkt bei km. 56. Dort stand die Eigentümerin selbst, mit einem Lächeln, das mehr Kraft gab als jedes Gel. Schon zum vierten Mal versorgte sie hier die Läufer. Auch dieses Jahr hatte sie das gesamte Proviant wieder selbst gestiftet. Ein großes danke schön! Wir liefen weiter, satt und gestärkt.

Zurück ins Binnenland

Nach rund 35 Kilometern entlang der Ostsee war es so weit. Wir verabschiedeten uns von der Küste und bogen ab ins Binnenland Richtung Oldenburg. Sofort spürten wir die Erleichterung. Kein Gegenwind mehr. Endlich durften die Beine freier „rollen“. Die Strecke führte uns vorbei an ehrwürdigen Gutshäusern und kleinen Dörfern. Jedes mit seinem eigenen Charme, still und in wunderschöner Atmosphäre gelegen.

Mitten in dieser Weite tauchte das alte Fischerdorf Siggeneben auf, wie aus der Zeit gefallen. Weiß gestrichene Häuser mit Reetdächern, niedrige Decken, alles aus dem 17. Jahrhundert. Das Dorf thronte auf einer leichten Anhöhe, und nur 200 Meter hinter dem letzten Haus verriet uns ein Schild, was wir eigentlich schon spürten: „Tiefster Punkt 2m unter NN“. Unter dem Meeresspiegel, auf trockenem Grund – und doch war hier bis 1930 der Gruber See, ein Gewässer von über 1.000 Hektar. Wir liefen über seinen ehemaligen Boden, Schritt für Schritt auf Geschichte.

Am Rosenhof wartete bei km 66 ein unbesetzter Verpflegungspunkt. Aber auch das hatte seine angenehme Kulisse. Der Eigentümer hatte alles liebevoll vorbereitet: Getränke, Snacks, eine Liste, in die wir uns eintragen sollten. Wir stärkten uns und liefen weiter nach Grube. Von dort ging es erneut hinein in den Gruber See. Diesmal nicht als Gewässer, sondern auf gut laufbaren Wegen. Hier waren wir ganz allein mit der Natur, und genau hier begann der mentale Kampf. Feldwege, die bis zu 1,5 Kilometer schnurgeradeaus liefen, forderten unsere Köpfe mehr als unsere Beine. Danach verschlungen von einem gefühlten Gewirr aus Wegen. Doch es gab nur diesen einen Pfad durch den „See“. Wir hielten an ihm fest, Meter um Meter.

Die letzten Kilometer – getragen von Herzen

In Koselau schließlich wartete bei Kilometer 77 der letzte Verpflegungspunkt (VP 7) des Landschaftslaufs. Wir wurden persönlich empfangen. Mit motivierenden Worten und ehrlicher Begeisterung konnten wir uns noch einmal stärken.

Dann begann die letzte Etappe. Das Herz klopfte schneller, jede Bewegung fühlte sich mit dem Gedanken an den Hintergrund zum Benefizprojekt für das künftige Hospiz in Ostholstein bedeutungsvoll an. Nach einem kurzen, schattigen Waldstück öffnete sich vor uns der Oldenburger Bruch. Einst ein verlandeter Meerarm, der Oldenburg zu einer florierenden Hafenstadt verhalf. Heute bleibt nur noch der schmale Oldenburger Graben, den wir etwa zwei Kilometer vor dem Ziel über eine steile Brücke überquerten. Mit zunehmender Distanz wird jeder Schritt ein kleiner Kampf, jeder Atemzug ein kleiner Triumph über die aufkommende Müdigkeit.

Das Ziel – und das, was bleibt

Und dann endlich das Ziel direkt vor Augen! Zurück im Stadion des Oldenburger Sportvereins erreichen von 12 Startern 11 Teilnehmer das Ziel. Der Schnellste war Dominik Welzel in einer phantastischen 6:42 Stunden, die schnellste Frau Janine Eichfelder in hervorragenden 8:03 Stunden. Doch an diesem Tag zählten keine Zeiten. Jeder, der die Ziellinie überquerte, war ein Sieger, erfolgreich über die Strecke, über sich selbst, über die Zweifel. Und jeder Schritt war mehr als Sport. Jeder Kilometer war ein Beitrag für das Hospizprojekt in Oldenburg. Für Würde. Für Hoffnung. Für das Leben.

Übrigens, am 12. September 2026 findet erneut der „Oldenburger Hospizlauf“ statt, sodann in seiner 5. Auflage. Sei auch du dabei und unterstütze mit deiner Teilnahme das künftige Hospiz in Oldenburg in Holstein!

Janine Eichfelder im Ziel nach 85 km Ultralauf an der Ostsee

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Für den 85 km Ultralauf ist innerhalb des Organisationsteams Hanno Höper euer Ansprechpartner. Solltest du Fragen haben, wende dich gerne an ihn.